rankfurt – Einen kleinen Roboter so programmieren, dass er auf einer Deutschland-Landkarte über bestimmte Stationen hinweg zielstrebig von München nach Hamburg rollt – vor dieser Aufgabe dürften viele zurückschrecken. Nicht so die Teilnehmer der Sommercamps, die die Boston Education School (BES) in fünf Ferienwochen an der Anna-Schmidt-Schule im Westend veranstaltet hat. Dutzende von Sechs- bis 14-Jährige beschäftigten sich dabei mit Robotik und Programmieren, darunter 38 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine, die vor dem Krieg in dem osteuropäischen Land geflohen waren. 20 von ihnen konnten dank finanzieller Unterstützung der Leberecht-Stiftung der Frankfurter Neuen Presse bei den Sommercamps mitmachen – und so wenigstens für ein paar Stunden auf andere Gedanken kommen.

Dass die meisten von ihnen nur ein paar Brocken Deutsch oder Englisch können, sei dabei kein großes Hindernis gewesen, sagt BES-Leiterin Maja Vuksic: „Um den Umgang mit Computern und Robotern zu lernen, muss man nicht perfekt Englisch sprechen.“ Schließlich kann man sich auch einfach mit Zeigen und Deuten behelfen – oder zur Not mit den Übersetzungsprogrammen, die inzwischen auf jedem Smartphone zu finden sind. Außerdem sei ein kleiner Roboter mit vier Knöpfen kinderleicht zu bedienen – im wahrsten Sinne des Wortes. Und trotzdem faszinierend. Denn, sagt Vuksic: „Jedes Kind liebt Computer und Videospiele.“

Entsprechend begeistert machten die Teilnehmer bei den Sommercamps mit. Entwickelten an Laptops beispielsweise Codes für kleine Roboter, um sie in die gewünschte Richtung zu bewegen – damit diese auf ihrem Weg über die Landkarte nach Hamburg nicht etwa in Luxemburg oder Prag landeten. Und merkten kaum, dass sie ganz nebenbei fitter in Fächern wie Mathematik und Physik wurden und dazu noch einiges an Englisch und Deutsch aufschnappten.

Auch der Integration dienten solche Veranstaltungen, erklärt die BES-Leiterin. Schließlich können sich hier Gleichaltrige ganz zwanglos begegnen, miteinander in Kontakt kommen – und dabei viel voneinander lernen. Wie furchtbar es ist, Tag für Tag Bomben- und Raketenangriffen ausgesetzt zu sein. Oder nicht zu wissen, wie es den Angehörigen in der Heimat geht. Ein 14-jähriger Junge aus der Ukraine ist Maja Vuksic besonders im Gedächtnis geblieben. Er sei eines Tages auffallend still gewesen und habe vor sich hingestarrt, erzählt sie. Irgendwann fanden die Lehrer heraus, dass er und seine Mutter schon zwei Wochen keine Nachricht mehr vom Vater hatten, der in der Ukraine bleiben musste. Daraufhin hätten sich die anderen Teilnehmer ganz besonders um ihn gekümmert. In solchen Momenten, sagt die Schulleiterin, sei der Krieg kein Fernsehbild mehr, das man einfach wegdrücken könne, „sondern er bekommt ein Gesicht“.

Beste Bedingungen für ihre Sommercamps fand die BES in der Anna-Schmidt-Schule. Nicht nur deshalb, weil dort dank eines Glasfaseranschlusses überall Wlan zur Verfügung steht. Sondern auch deshalb, weil deren Leiterin Petra König und ihrem Team die sogenannten MINT-Fächer – also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – am Herzen liegen. Und weil die Schüler in den vergangenen Monaten durch Sponsorenläufe mehr als 51 000 Euro für die Ukraine gesammelt hatten. Darüber hinaus kümmerte sich die Schule wochenlang um mehr als 50 Kinder und Jugendliche aus dem kriegsgeplagten Land, die in Frankfurt Zuflucht gefunden haben und die vorübergehend in den einzelnen Schulklassen untergebracht wurden. „Daran sind unsere Schüler auch gewachsen“, sagt König.

Dankbar sind Maja Vuksic und Petra König dafür, dass die Leberecht-Stiftung die Sommercamps tatkräftig unterstützt hat. Eine tolle Zusammenarbeit sei das gewesen, lobt die BES-Leiterin: „Es dauerte nur eine Woche, bis wir die Zusage von Leberecht hatten – nur drei Mails und ein Anruf waren notwendig. Das war einfach großartig.“ Brigitte Degelmann