Über das Lastenrad freuen sich Ilka, Leonie und Frank Hoffmann (von links).                      Foto: Enrico Sauda

Frankfurt – Was Leonie von dem neuen Lasten-Fahrrad ihrer Eltern hält? Um das herauszufinden, genügt ein Blick auf die Neunjährige. Darauf, wie ihr Gesicht mit den feinen Zügen und den großen braunen Augen aufleuchtet, wenn sie nach dem ungewöhnlichen Gefährt mit den drei Rädern gefragt wird, das die Leberecht-Stiftung dieser Zeitung für Familie Hoffmann aus Langen finanziert hat. Um jeden Zweifel an der Begeisterung für das neue Lastenrad mit Elektroantrieb auszuräumen, nimmt das Mädchen den Sprachcomputer zu Hilfe, den es mit den Augen steuern kann. „Cool“, tönt es aus dem Gerät.

Leonie ist von infantiler Zerebralparese betroffen. Wegen einer frühkindlichen Hirnschädigung kann sie nicht laufen, nicht sprechen. Geistig ist sie jedoch hellwach. „Sie bekommt alles mit und versteht alles“, sagt Vater Frank Hoffmann (41). Wie recht er damit hat, merken auch Besucher sehr schnell. Wenn die Neunjährige beispielsweise das Gefühl hat, dass über ihren Kopf hinweg geredet wird, verdüstert sich ihr Gesicht und sie wird unruhig. Etwa als die Eltern von Leonies besten Freunden berichten wollen. Ilka Hoffmann (37) kennt das schon. „Leonie, willst du erzählen, wie deine Freunde heißen?“, fragt sie. Schnell hellt sich das Gesicht ihrer Tochter wieder auf, und ihre Augen fixieren den Sprachcomputer. „Amina und Max“, tönt es gleich darauf aus dem Gerät.

Geburt per Notkaiserschnitt

Leonie wurde 2011 geboren – per Notkaiserschnitt. Anfangs schien alles gut. Die Mutter erinnert sich noch daran, wie sich ihre Tochter an ihre Brust kuschelte, sogar ein bisschen trank und dann einschlief. Doch eine Stunde nach der Geburt setzten plötzlich die Vitalfunktionen aus. Warum? Die 37-Jährige weiß es nicht, will sich auch nicht mehr den Kopf darüber zermartern. Vielleicht der Stress bei der Geburt, sagt sie: „Leonie hatte wohl keine Kraft mehr.“ Dann ging alles ganz schnell: Das Baby kam in die Neonatologie der Frankfurter Universitätsklinik. Zwar fing das kleine Herz bald wieder an zu schlagen, doch der Sauerstoffmangel hatte bereits das Gehirn geschädigt – mit schwerwiegenden Folgen für Nervensystem und Muskulatur.

Das sei ähnlich wie nach einem Schlaganfall, sagt Ilka Hoffmann – wenn Betroffene Sprache und Bewegungsabläufe wieder erlernen müssten. Mit dem Unterschied, dass der Körper ihrer Tochter beides noch gar nicht konnte. Entsprechend hart erkämpft ist jeder winzige Fortschritt. Wo andere Kinder zehn Wiederholungen brauchen, um eine Bewegung einzuüben, seien es bei Leonie 1000, sagt ihre Mutter. Doch es geht voran, dank Physio- und Ergotherapie, Reittherapie, Logopädie und Schwimmtraining. Und das Wichtigste: „Leonie ist ein ganz lebensfreudiges Kind.“

Das zeigt sich beispielsweise bei Ausflügen mit dem neuen Fahrrad. „Vor allem dann, wenn’s schneller geht und ihr der Wind ins Gesicht fegt. „Da hat sie richtig Spaß dran“, erzählt Frank Hoffmann lachend.

Und seine Frau schildert begeistert eine Tour von Egelsbach nach Langen, auf einem gut ausgebauten Radweg: „Das macht so Spaß, wenn man mal mit voller Pulle fahren kann. Da können wir mal richtig Gas geben.“ Da jauchzt Leonie auf und bestätigt mit ihrem Sprachcomputer: „Das ist so lustig.“

Transportkasten nicht gefedert

Lange hatte die Familie nach einem Fahrrad gesucht, das solche Ausflüge ermöglicht. Mit einem Transportkasten, auf den Leonies Rollstuhl passt. Die Neunjährige in ein normales Lastenrad zu heben, kommt für Ilka Hoffmann nicht infrage. Denn sie hat bereits einen Bandscheibenvorfall hinter sich und immer wieder mit Schulterproblemen zu kämpfen. Schließlich stieß sie auf die Räder eines dänischen Herstellers, die genau für ihre Anforderungen passen. Allerdings haben die Sonderanfertigungen ihren Preis: rund 6000 Euro. Für die kleine Familie – Vater Frank arbeitet als Teamleader in einem Unternehmen, Mutter Ilka hat einen Minijob beim Verein MainLichtblick – kaum erschwinglich. Umso dankbarer sind sie der Leberecht-Stiftung, die nun die Finanzierung des Rades ermöglicht hat.

Nur ein Problem haben sie inzwischen festgestellt: Der Transportkasten ist nicht gefedert, so dass Leonie auf den Fahrten gelegentlich ordentlich durchgeschüttelt wird. Aber auch dafür haben sie sich schon eine Lösung überlegt. „Breite Reifen wie bei Mountainbikes – und nicht so doll aufpumpen“, sagt Frank Hoffmann. „Dann kriegen wir das schon hin.“ BRIGITTE DEGELMANN