Amir Emdadi freut sich über das Spielgerät. Der Bügel schützt Rolli-Fahrer davor, von der Scheibe geschleudert zu werden. FOTO: MICHAEL FAUST
Hinter dem Gitter-Bauzaun am Wasserspielplatz direkt am Goetheturm ist das nagelneue Karussell für behinderte und nicht behinderte Kinder schon zu sehen. Ende August ist die Anlage fertig und dann können sich hier und im Seehofpark Mädchen und Jungen im Kreise drehen.
Mehr als ein Jahr lang hat Amir Emdadi mit seinem Verein Kian dafür gekämpft, dass es auf Frankfurter Spielplätzen Spielgeräte gibt, die auch behinderte Kinder benutzen können. „Inklusion beginnt auf dem Spielplatz„, sagt der Mann überzeugt und blickt fast ungläubig auf das runde Spielgerät mit silbernem Boden und Lenkplatte, knallroten Säulen mit Handgriffen, orangenen Sitzen und grünen Stangen, die von silbernen Bügeln umrahmt sind. „Es ist wirklich da“, so Emdadi mit strahlenden Augen.
Noch schaufeln zwei Männer Kiesschotter und Erde rund um das im Boden zementierte eingelassene Rund. „Das muss jetzt drei bis vier Wochen austrocknen, Fallschutz kommt noch und Ende August können dann alle hier zusammen Spaß haben“, freut er sich.
Emdadi hat selbst drei Söhne. Kian (17) ist behindert und sitzt im Rollstuhl. Nach ihm hat der dynamische Emdadi den Verein benannt. „Kinder gehen erstmal völlig unbefangen miteinander um und das sollte so früh wie möglich gefördert werden“, erlebt er immer wieder. „Kinder mögen sich, oder nicht. Da spielen Aussehen und Behinderungen gar keine Rolle.“ Er schätzt, dass in Frankfurt rund 12 Prozent aller Kinder im Rollstuhl sitzen und weiß, dass es ihnen an vielem fehlt. Nicht nur an Spielgeräten, sondern auch dem Verständnis der Umwelt für ihre spezielle Situation. „Die Erwachsenen starren oft, wenn sie behinderte Menschen sehen. Entweder mitleidig, verunsichert oder verächtlich, statt völlig normal mit ihnen umzugehen. Dabei wollen sie nichts anderes, als wie alle anderen dazuzugehören.“
Vor gut zwei Jahren hat Emdadi mit der damaligen Elterninitiative, aus deren Mitte 2019 der Verein gegründet wurde, eine Rolli-Schaukel im Hof der Viktor-Frankl-Schule gestiftet. Mehr als 80 Prozent der 300 Schüler sitzen dort im Rollstuhl und alle lieben ihre Schaukel. Emdadi erzählt, dass einmal ein Mann im Rollstuhl kam und gefragt hat, ob er auch einmal schaukeln dürfe. Das habe er noch nie gemacht. Er fuhr mit seinem E-Rollstuhl rein und hat es mit eigener Kraft geschafft, die Schaukel zum Schwingen zu bringen. „Er hatte Freudentränen in den Augen.“
Dinge, die für Nichtbehinderte selbstverständlich sind, sind für Rollstuhlfahrer oft unerreichbar. Wie zum Beispiel Schaukeln oder Drehkarussells fahren. „Auch ich habe durch Kian gelernt, dass es der Augenblick, das Jetzt und das Heute sind, die man genießen soll“, gesteht der sonst sehr zielstrebige Vereinsgründer, der eine Druckerei betreibt.
LEBERECHT finanziert Fallschutz
Nicht nur am Goetheturm entsteht gerade ein Rolli-Karussell, sondern auch im Seehofpark. Im Grüneburgpark wird im Spätsommer ebenfalls noch eines aufgebaut. Die Karussells finanziert der Verein, die Leberecht-Stiftung der Frankfurter Neuen Presse übernimmt die Kosten für den umgebenden Fallschutz an den rotierenden Scheiben. Beide Organisationen setzen sich für Inklusion und Integration von Menschen mit Einschränkung sowie benachteiligte Kinder ein. Während per Kleinbagger noch Kiesschotter angefahren und an die richtigen Stellen per Hand geschaufelt und mit einem kleinen Planierer festgedrückt wird, kontrolliert eine Mitarbeiterin des Grünflächenamtes lächelnd die Maße vom Podest. Sie nickt und strahlt ebenso wie Emdadi. „Eine tolle Aktion, über die sich die Kinder bestimmt sehr freuen werden“, sagt sie. Damit alle Kinder die gleichen Möglichkeiten haben, zu spielen und voneinander unvoreingenommen Zeit miteinander zu verbringen, wird es im nächsten Jahr auch Rolli-Spielgeräte am Hafenpark und im Günthersburgpark geben.
Als nächstes ein Wasserpark
Der Verein Kian plant bereits noch mehr. „Unser Traum ist ein ganzer inklusiver Wasserspielplatz, den wir 2022 bauen wollen. Die Finanzierung steht bereits. Wir warten nur noch darauf, dass die Stadt ein Grundstück für uns findet.“ SABINE SCHRAMEK